Ein Education-Projekt mit Charles Ives
Wie die Kinder auf die Musik eines „großen Kindes“ reagiert haben
Während der Woche vor dem Familienkonzert hat sich das Education-Team des Klavier-Festivals Ruhr mit den Kindern der Grundschule Bochumer Straße in Recklinghausen näher mit Ives‘ Stücken Putnam’s Camp und The Housatonic at Stockbridge auseinandergesetzt.
Putnam’s Camp erzählt die Geschichte eines Nationalfeiertags in der Stadt Redding im US-Bundesstaat Connecticut. Bands spielen zum Tanz auf, die Leute vergnügen sich im Freien. Im Mittelteil des Stücks schläft ein kleiner Junge ein und träumt von einer für die Stadtgeschichte wichtigen militärischen Zusammenkunft. Wenn er erwacht, kehrt er zu den Festlichkeiten zurück.
The Housatonic at Stockbridge hingegen beschreibt selbst einen Traum. Charles Ives erinnert sich daran, dass er als junger Mann mit seiner kürzlich Angetrauten am Ufer des Flusses Housatonic einen Spaziergang unternimmt. Durch den Nebel auf dem Fluss (und durch den Nebel seiner Liebe) hört das Paar von Ferne die Melodie eines Hymnus‘, die aus einer Kirche auf der anderen Seite des Flusses zu ihnen dringt.
Wir haben uns entschlossen, mit der Schulklasse aus Recklinghausen diese beiden Stücke miteinander zu verbinden. Dazu haben wir die Feierlichkeiten als Rahmen benutzt und an die Stelle des Traums des kleinen Jungens einen Traum von durch Nebel erklingender Kirchenmusik gesetzt: Feier – Traum – Feier.
Unser Projekt begann damit, dass wir die Kinder zu einem Ausflug mitgenommen haben zu einem Hügel, von dem aus man über das Flussufer und grüne Felder hinweg zur Deusener Kirche in Dortmund schauen kann. Mit diesem visuellen Stimulus fingen die Kinder an, musikalischen Nebel zu erfinden in der gleichen Weise wie Ives es zu Beginn des 20. Jahrhunderts getan hat.
Auf ihren Orff-Instrumenten und Glockenspielen schlängelten die Schüler ihre Melodien über die Holz- und Metallplatten und spielten dabei so leise wie möglich. Dann sangen sie ganz leise, wie durch Nebel, Ives‘ Kirchenlied.
Für den Festmusik-Rahmen wurde die Klasse in vier Gruppen unterteilt, von denen jede ein kurzes, rhythmisches Stück Marschmusik erfunden hat. Mit diesen Ideen wagten wir das Experiment, uns vorzustellen, dass wir auf dem Stadtfest sind und alle vier Musikkapellen zur selben Zeit ihre Märsche anstimmen hören - und spielten unsere eigenen Märsche auch alle gleichzeitig.
Den Impuls hierzu gab ein berühmter Ausspruch von Ives selbst: „Kümmern Sie sich nicht um die Noten, diese sind immer eine Plage. Versuchen Sie nur, den Geist der Musik wiederzugeben.“ Unser Ergebnis war ein höchst lebhaftes Ives’sches Musikchaos!
Zuletzt haben wir unsere Elemente zusammengefügt (Musikkapellen spielen – Traum durch Nebel – Musikkapellen spielen) und schwelgten in den ausgelassenen Ergebnissen.
Als die Kinder schließlich eine Aufnahme von Ives‘ Musik vorgespielt bekamen, war ihre Auffassungsgabe geschärft und sie durchdrangen schnell seinen musikalischen Prozess. Auch lernten sie seine musikalischen Errungenschaften wertschätzen und übten Kritik an den Elementen von Ives‘ Musik, von denen sie überzeugt waren, dass er sie anders hätte ausarbeiten können. Wie kann man Kinder besser auf unser heutiges Konzert vorbereiten?
Richard McNicol
Weitere Informationen zum Projekt Musik und tRaum

Ein Projekt mit Charles Ives
Unser Projekt begann damit, dass wir die Kinder zu einem Ausflug mitgenommen haben zu einem Hügel, von dem aus man über das Flussufer und grüne Felder hinweg zur Deusener Kirche in Dortmund schauen kann. Mit diesem visuellen Stimulus...